Mit „Hölle“ wurden und werden bis heute das griechische Hades und Geenna übersetzt (u.a. bei Luther). Luther übersetzte Hades 5mal mit „Hölle“ (z.B. in Mt. 16,18), außerdem 2mal mit Toten, 2mal mit Totenwelt, 1mal mit „sein Reich“. Geenna übersetzte Luther 8mal mit „Hölle“ (u.a. Mt. 5,22; Mt. 29,30; Mt. 18,9; Mk 9,43, Mk. 9,45, usw.); und 4mal mit „höllisch“. Diese willkürliche Art der Übersetzung ist 1540, als Luther sich an die verdienstvolle Pionierarbeit der Übersetzung machte, noch zu entschuldigen. Heute, nach vielfacher Überarbeitung, ist das nicht mehr nachvollziehbar.
Der Hades des NT ist die Übersetzung von Sheol aus dem AT (Ap. 2,27, Ps. 16,10). In den Hades/Sheol kommen die Seelen aller Menschen nach dem Tod (Ps. 30,3; 49,15; 86,13; 89,48; Spr. 23,14; Joh. 5,28-29; Ap. 2,31). Die Seele ist entstanden durch die Verbindung von Geist und Körper (1. Mose 2,7) und ist folglich nicht mehr existent, wenn Geist und Körper nach dem Tod getrennt werden. Das wird auch durch die wörtlichen Übersetzungen von Hades und Sheol ausgedrückt: Hades bedeutet „Unwahrnehmbares“ und Sheol „Fragliches“. Es ist also fraglich, wo die Seele nach dem Tod ist, sie ist nicht mehr da, also nicht mehr wahrnehmbar, wenn das Blut nicht mehr im Körper zirkuliert (vergleichbar mit elektrischem Licht, nachdem der Stromfluss unterbrochen wurde). Der Todeszustand im Hades wird auch mit dem Schlaf verglichen (1. Thess. 4,14; 1. Kor. 11,30). Dieser Zustand wird für jeden ein Ende haben: „Jehova tötet und macht lebendig; er führt in den Scheol hinab und führt herauf“ (1. Samuel 2,6). Im AT ist von Qualen im Sheol nie die Rede, im Hades des NT ebenfalls nicht, abgesehen von der Verwendung des Begriffs Hades in einem Gleichnis. Wird aber diese Rede Jesu vom reichen Mann und armen Lazarus (Luk. 16,19 ff) angemessen, d.h. als Gleichnis, interpretiert, löst sich jeder Widerspruch auf (hier ausführlich erklärt).
Interessant ist, dass der Begriff „Hölle“ in der Ursprungsbedeutung für Hades eine gar nicht so falsche Übersetzung wäre. „Hölle“ entstammt nämlich dem Begriff „Hel“ (vgl. das engl. Hell), das etymologisch eigentlich verwandt ist mit bergen, verhüllen, Höhle, Hülse, Helm. In alten Bauernhäusern wurde mit „Hölle“ daher auch der enge, „verborgene“ Raum zwischen Kachelofen und Wand bezeichnet. Auch unscheinbare, schmale Gässchen erhielten diesen Namen (Straßenschild im Örtchen Almke):
Mit dieser Ursprungsbedeutung wäre es also eine angemessene Übersetzung von Hades (=Ungewahrtes, also Nicht-Wahrnehmbares), wenn der Begriff „Hölle“ nicht im Laufe der Zeit mit Horrorvorstellungen gefüllt worden wäre.
Geenna (Gehenna) ist dagegen lediglich eine Ortsbezeichnung für ein Tal südlich von Jerusalem (heutiger Name: „Wadi er-Rababi“). Gehenna ist die griechische Form des hebräischen Gehinnom und bedeutet „Tal Hinnom (Ge-Hinnom)“. Auf historischen Karten von Jerusalem ist es eingezeichnet:
Hier ist auch ein Photo von dem, was einige Übersetzer in Mt. 5,22ff; Mt 18,9; Mt 10,28; Mt. 23,15; Mk. 9,43ff; Jak. 3,6 frei mit „Hölle“ übersetzt haben (Jerusalemer Bibellexikon, S. 344):
Wie kam es dazu? Dieser Ort hat zweifelsohne eine grauenvolle Vergangenheit. Zu alttestamentlicher Zeit wurden hier bei kultischen Handlungen dem Ammoniter-Gott Moloch Kinder geopfert (2.Könige 23,10). Dies geschah auf dem sog. „Thophet“ (wörtlich „Feuerstätte“), einer Höhe, die eigens zu diesem Zweck dort errichtet wurde. Diese Praxis wurde von den Israeliten unter der Regentschaft Solomons im 10. Jh v.Chr. und des Königs Menasseh im 7. Jh. v.Chr. weitergeführt bis in die Zeit des babylonischen Exils (6.Jh. v.Chr.). Der Prophet Jeremia, der diesen unsäglichen Brauch scharf verurteilte, nannte dieses Tal „Schlucht der Umbringung“ (Jer. 7,31-32; 19,5-9), weil nach dem Gericht Gottes über Jerusalem kein anderer Platz mehr sein wird, die Toten zu begraben (Jer. 19,6-11). So kündigte Jesaja an: „…und sehen die Leichen der Menschen, die da übertraten gegen Mich [Jahwe] … und sie werden zum abstoßenden Anblick allem Fleisch“ (Jes. 66,24). Diese Prophezeihung hat sich mit der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar II. 586 v.Chr. erfüllt.
Spätestens ab dem 8 Jh. v.Chr. diente das Tal als das wichtigste Begräbnisfeld Jerusalems, wie aus archäologischen Ausgrabungen hervorgeht (Jerusalemer Bibellexikon, S. 344). Außerdem wurden ständig Tierkadaver und Unrat verbrannt. Wo Feuer das Fleisch nicht vollständig vernichtete, dürften Würmer oder Maden dies übernommen haben. Was daher die Bibel über diesen Ort sagt, entspricht im Allgemeinen der traditionellen Auffassung, die in rabbinischen und anderen Schriften vertreten wird. Demnach diente das Hinnomtal als Müllgrube der Stadt Jerusalem. In J. B. Phillips’ „New Testament in Modern English“ wird das Wort Gehenna in Matthäus 5,30 mit „Schutthaufen“ wiedergegeben. Der Jude David Kimchi (ca. 1160 bis 1235) kommentierte: „In der Umgebung von Jerusalem existiert ein widerlicher Ort, in den man unreine Dinge und Leichname hinabwarf. Ebenso war dort ein ständiges Feuer, um die unreinen Dinge und die Knochen der Leichname zu verbrennen.“
Im Neuen Testament wird von Jesus 11mal auf diesen unheimlichen Ort Bezug genommen. Er benutzt die in den Köpfen seiner Zuhörer vorhandenen Bilder von Feuer und Vernichtung, also das Bild des schändlichen Todes, um das Leben im Königreich als Alternative als noch erstrebenswerter darzustellen, das jedes denkbare Opfer lohnt (z.B. Mrk. 9,43-48). An diesem Königreich teilzunehmen, war Generationen von Juden ein großes Ziel – es nicht erleben zu können, wäre eine große Strafe. Einmal noch wird Gehenna im NT erwähnt und zwar in Jak. 3,6 – dort wird besonders deutlich, dass es sich um eine Metapher handelt.
Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass der biblische Befund eindeutig ist:
1) Die Bibel beschreibt an keiner Stelle, dass in der Gehenna jemand gequält wird (schon gar nicht nach dem Tod); auch angekündigt wird das nie, weder von den Propheten noch von Jesus. Die Gehenna in der Bibel ist ein Freiluftkrematorium, nicht mehr und nicht weniger.
2) Angesprochen sind außerdem nur Angehörige des Volkes Israel in einem bestimmten Kontext, sowohl im AT als auch im NT. Daraus einen Ort der „ewigen Verdammnis“ ganz allgemein für Gott ferne Menschen zu machen, ist auch aus diesem Grund nicht gerechtfertigt.
Dass dieses Tal dennoch mit einer „Hölle“ in Verbindung gebracht wurde, liegt neben möglichem Wunschdenken an jüdischen Fabeln und Sagen: Beispielsweise soll es laut Talmund (ab 200 n.Chr. entstanden) in dem Tal Hinnom zwischen zwei Palmen ein Erdloch geben, aus dem Rauch aufsteige. Dies, so wird fabuliert, soll der Eingang zu einer Hölle sein (F. Rienecker, Lexikon zur Bibel, Stichwort Hinnom-Tal). Weiterhin machte man in den kultischen Büchern „4. Buch Esra“ und in den „Sibyllinischen Orakeln“ (beide um 100 n. Chr. entstanden) die Gehenna zu einem zukünftigen Strafort (siehe wikipedia). Jeder, der von einer Qualhölle redet und damit die Gehenna meint, sollte also wissen, dass er den Boden der Bibel verlässt und ausserbiblische Geschichten verbreitet.
Um die Höllenvorstellung trotzdem zu rechtfertigen, wird gerne auf die Formulierung „Heulen und Zähneklappern“ (besser: Jammern und Zähneknirschen) verwiesen, die 7mal im NT auftaucht (wie in Mt. 8,12). Hier ist aber nicht von der Gehenna die Rede, sondern teils von Finsternis, die auf einem Feuerfriedhof nicht herrschen kann. Zudem wäre es eine verantwortungslose Verharmlosung von Zähneknirschen zu sprechen, würde Jesus hier vor den Qualen einer „Hölle“ warnen, die viele damit beschrieben sehen wollen. Richtig ist, dass Jesus mit verschiedenen Bildern vor der Alternative zum Leben im Königreich gewarnt hat. Diese Redeweise steht also für den Kummer und die Verzweiflung derer, die vom Königreich (im Bild: ein hell erleuchtetes Festbanquet) ausgeschlossen werden (im Bild: Dunkelheit außerhalb), ausgeführt in einigen Gleichnissen (Mt. 22,13; 25,30). Zähneknirschen und Jammern symbolisieren dabei Selbstvorwürfe.
Mehr dazu, wie die Höllenlehre in die Bibel gekommen ist, siehe hier.